Tür 21: Polen
Tür 21: Polen

Wer die Hoffnung vor seinen Wagen spannt, fährt doppelt so schnell.


*Weisheit aus Polen

Liebe Leser, ich freue mich, dass sie heute wieder dabei sind. Der 21. Dezember führt uns nach Polen. Aufgrund der Tatsache, dass in diesem Land auch viele Deutsche gelebt haben, wurden einige der deutschen Bräuche übernommen. Der Weihnachtsmarkt zum Beispiel erfreut sich gerade in den größeren Städten einer immer größeren Beliebtheit.

Aber das Weihnachtsfest kann natürlich nicht nur darauf reduziert werden, denn in Polen gibt es eine lange Tradition mit vielen Bräuchen zu Weihnachten. Generell gilt, das Heiligabend die Schulen geschlossen sind, die Geschäfte aber bis ca. 14:00 geöffnet haben. Am 25. und 26. Dezember ist nationaler Feiertag.

Heiligabend oder auch Wigilia genannt, ist in Polen der wichtigste der Feiertage. Einem alten Volksglauben zufolge, ist dieser Tag mit seinem Ablauf, maßgeblich für den Erfolg oder Misserfolg des gesamten nächsten Jahres. Daher wird dieser Tag penibel genutzt, um sich bestmöglich auf das Fest vorzubereiten. Der Tag fängt zum einen damit an, den Tannenbaum zu holen und zu schmücken und zum anderen wird schon am frühen Morgen das Weihnachtsessen vorbereitet, aber hierzu später mehr.

Zur traditionellen Dekoration des Hauses gehört nicht nur der Tannenbaum, sondern auch Tannen- oder Fichtenzweigen, Heu- und Strohbündeln. Diese stehen vor allem für eine gute Ernte im kommenden Jahr. Am 24. Dezember wird traditionell bis zum Abend gefastet und auf Fleisch sogar vollkommen verzichtet. Daher ist Fisch oft ein Bestandteil des Weihnachtsessens. Im Anschluss an das traditionelle Weihnachtsessen, legen viele Menschen eine Fischgräte oder eine Fischschuppe in ihr Portemonnaie. Dieser Brauch soll für zukünftigen Wohlstand sorgen. Für diesen Zweck gibt es in Polen sogar gleich zwei Bräuche, das verdeutlicht wie wichtig dieser Tag ist. Viele polnische Familien legen alternativ auch Geldmünzen unter die Teller oder die Tischdecke, um so die Familienmitglieder vor Armut zu schützen.

Ein weiterer Brauch ist es, dass für das große Abendessen ein zusätzliches Gedeck eingedeckt wird. Hiermit wird zum einen an die verstorbenen Familienmitglieder gedacht, aber auch vorgesorgt, falls ein Reisender, Freund oder ein Familienmitglied unangekündigt noch vorbeikommt. Dann kann dieser gleich mitfeiern.

Dieser Brauch hat einen festen Bezug auf die Weihnachtsgeschichte, wo Maria und Josef ja auch von Gasthaus zu Gasthaus gezogen sind und erst keinen Platz gefunden hatten, schließlich aber aufgenommen wurden und in einer Scheune Platz fanden. Hierfür gibt es auch ein polnisches Sprichwort: „Go?? w domu, Bóg w domu“, das heißt übersetzt: „Ist ein Gast im Haus, so ist Gott im Haus.“

Wenn man jetzt in Polen noch auf die reichlich vorhandenen ländlichen Regionen schaut, dann gibt es noch einen weiteren Brauch. Hier verkleiden sich Kinder als Sternensänger, ziehen von Haus zu Haus und singen dabei. Hierfür bekommen Sie entweder eine Leckerei oder eine andersartige Gegenleistung.

Die abendlichen Feierlichkeiten starten erst, sobald der Abendstern in der nächtlichen Abenddämmerung, meist von Kindern gesichtet wird. Dann wird der Abend mit einem gemeinsamen Gebet eingeleitet und die Weihnachtsoblate in Stücke gebrochen und an die Familienmitglieder verteilt. Ist dies geschehen, dann zerteilt jedes Familienmitglied seinen Teil der Oblate und gibt es jedem der anderen Familienmitglieder. Hierbei wird sich umarmt und sich gegenseitig viel Glück und Freude für das nächste Jahr gewünscht.

Gerade wenn Familienmitglieder weiter weg wohnen, eventuell sogar im Ausland, werden die Oblaten auch in großen Stückzahlen versendet, damit man so seine Liebsten an der Tradition teilhaben lassen kann.

Nun kommen wir zum großen Finale, dem Abendmahl zu Heiligabend. Da dieser Teil viel zu umfangreich ist, um ihn selber zu beschreiben, ohne jemals selber daran teilgenommen zu haben, habe ich eine tolle Internetseite gefunden, die hier einen sehr umfangreichen Überblick mit tollen Fotos gibt.

http://polschland.blogspot.de/2013/12/weihnachten-in-polen-swieta-bozego.html



Auf dem Tisch wartet schon das Essen. Die Gerichte sind jedes Jahr gleich und nachaltem Familienrezept zubereitet. Manche werden sogar ausschließlich nur an einem Tag im Jahr gekocht. Nicht selten schmecken sie gar nicht, aber selbst das ist keine Ausrede.Die Tradition ist heilig. Die Ansichten meiner deutschen Bekannten, die an Heiligabend indisch kochen, jedes Jahr was Neues ausprobieren oder ein Festtagsmenu samt Tiramisu vorbereiten, wären in Polen regelrecht verpönt. Man begreift es auch nicht, wie man in Deutschland so was „alltägliches“ wie Würstchen mit Kartoffelsalat essen kann, Argumente wie: „Die haben ja keine Traditionen“ oder „Man gibt sich einfach keine Mühe“ sind sogar zu hören. Und überhaupt, dass man an dem Abend Fleisch esse! Obwohl seit einigen Jahren an Heiligabend auch Fleischgerichte verzehrt werden dürfen (was von der katholischen Kirche offiziell erlaubt wurde), bleibt das polnische Menu strikt vegetarisch undalkoholfrei.
Manche von den 12 Gerichten werden nur an Heiligabend zubereitet, wie barszcz z uszkami.
Foto: Polschland
Der Tradition nach, sollten bei dem Abendmahl zwölf Speisen serviert werden. Zwölf, also so viel wie Monate oder Apostel. Es gibt immer noch Familien, die sich daran halten. Man kann aber ein Auge zudrücken und Salz, Pfeffer & Co. dazuzählen, wenn die Zahl nicht erreichbar ist. Von jeder sollte man ein bisschen probieren, damit sie auch im nächsten Jahr nicht fehlen. 
Was auf dem Speiseplan steht, ist von der Region abhängig. Ich nenne nur ein paar Beispiele. Zu den populärsten Suppen zählen auf jeden Fall: barszcz z uszkami (Rote-Betesuppe mit kleinen Tortellinis mit Pilzfüllung), zupa grzybowa (Pilzsuppe), fasolowa(Bohnensuppe), grochówka (Erbsensuppe), zupa z siemienia lnianego(Leinsamensuppe), konopii (Hanfsuppe), migda?ów (Mandelsuppe), rybna (Fischbouillon).
 Uszka
 Fot. Polschland

 Barszcz wird ausschließlich aus Gemüsefond zubereitet. Verwendung tierischer Fette ist traditionell verboten.
Foto: Polschland
 Das Wort "uszko" (Pl. uszka) bedeutet wörtlich übersetzt "kleines Ohr".
Foto: Polschland
Als Hauptspeise kommen Fische in allen Variationen. Panierter und gebratenerkarp/Karpfen fehlt fast nie. Interessant dabei ist, dass man diese Fischsorte eher selten im Laufe des Jahres isst, trotz Werbekampagnen. Ob der Fisch auch schmackhaft ist, ist jedes Jahr ein Glücksspiel - oft erwischt man Exemplare, die unmittelbar nach Schlamm schmecken. Weiter kommen Karpfen in Aspik (karp w galarecie), ?led? w ?mietanie(Sahnehering), andere Fischsorten und ryba po grecku. Wörtlich übersetzt bedeutet das Letzte „Fisch griechischer Art“, wobei es sich um ein in Griechenland unbekanntes Gericht handelt: Fischstücke in Tomaten-Gemüsesauce.
 Die Hauptspeise in meinem Familienhaus: gekochtes Sauerkraut mit Waldpilzen, Meeretichsauce, Hefebrötchen mit Zwiebelfüllung und... Fischstäbchen. Seit Jahren boykottiere ich den traditionellen Karpfen.
Foto: Polschland
Dazu serviert man Kartoffelnpierogi z kapust? i grzybami, eventuell auch ruskie(Teigtaschen mit Sauerkraut-Pilzfüllung oder mit Kartoffel-Quark-Füllung) sowie Sauerkraut mit Pilzen, Erbsen bzw. Bohnen (kapusta z grzybami, grochem, fasol?).
Zum Trinken gibt es kompot z suszu (Dörrobstkompott), der oft aus geräucherten Pflaumen zubereitet wird.  Man kann ihn lieben oder hassen. Ich zähle zur zweiten Gruppe, da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie man eine Flüssigkeit, die nur nach Rauch schmeckt, zu sich nehmen kann. In einer anderen Variante verwendet man dazu normales Trockenobst, Nelken und Zimt - diese schmeckt ganz lecker.
Natürlich darf was Süßes nicht fehlen. In vielen Familien östlicher Herkunft bereitet mankutia vor, eine Masse aus Weizen, Mohn, Rosinen, Honig und Nüssen. In Oberschlesien kennt man dagegen makówki - eine Schichtspeise aus Mohn, Rosinen, Milch und Brötchenscheiben. Typisch schlesisch ist auch moczka, eine Art Lebkuchensauce. Beliebt sind auch Kuchen (z. B. Mohnstollen/strucla z makiem), Weihnachtsplätzchen (ciasteczka) und Lebkuchen (pierniki) sowie Orangen und Mandarinen, die im Kommunismus eine Luxusware und nur vor Weihnachten und Ostern erhältlich waren.
 Eine Schüssel mit makówki, einem typisch schlesischen Weihnachtsdessert.
Foto: Polschland
 Makówki werden kalt serviert, dazu reicht man heiße Milch.
Foto: Polschland

 Die oberste Schicht von makówki wird immer schön verziert, mit Mandeln, Nüssen, Orangeat, Kokosraspeln, Trockenobst etc.
Foto: Polschland

 Traditionelle schlesische moczka
Foto: Polschland

 Oberschlesische moczka und makówki. Die Variante, die hier zu sehen ist, besteht aus Mohnmasse und Mohnstollenscheiben. In manchen Familien wird sie aber auch mit Zwieback zubereitet.
Foto: Polschland
 Weihnachtliche Mohnstollen
Foto: Polschland

Ich wünsche ihnen noch einen tollen Tag und freue mich schon auf morgen.

Veröffentlicht am: Dec 21, 2018
Blog Kategorie
Autor: Bernd Grigat